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ESM-Chef Klaus Regling: Finanzhilfeprogramm für Griechenland

Der Chef des Euro-Rettungsfonds ESM, Klaus Regling, debattiert am Dienstag (10.11.) mit Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und den Mitgliedern des Wirtschafts- und Währungsausschusses über das neue Finanzhilfeprogramm für Griechenland. Welche Rolle kommt hier dem EU-Parlament zu?

Griechenlands Ministerpräsident Tsipras hat gefordert, das EU-Parlament in die Überwachung des Hilfsprogramms einzubinden. Kann so dessen Legitimität erhöht werden?

Es geht hier um demokratische Verantwortlichkeit. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) gewährleistet bereits die volle demokratische Verantwortlichkeit seiner Handlungen, wie beispielsweise die Bereitstellung finanzieller Hilfen und die Überwachung der politischen Auflagen. Dies geschieht in Entsprechung zu den verschiedenen nationalen verfassungsrechtlichen Traditionen. Die nationalen Parlamente mancher EU-Mitgliedstaaten werden intensiv in den Prozess eingebunden.

Das EU-Parlament muss dabei über alle Aspekte gut informiert werden. Es ist für mich wichtig, hier in einen konstruktiven Dialog mit dem EU-Parlament zu treten. Deshalb auch die Debatte im Wirtschafts- und Währungsausschuss am 10. November, an der ich gemeinsam mit Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem teilnehmen werde.

Dennoch ist der ESM zu diesem Zeitpunkt eine zwischenstaatliche Organisation und keine Institution der Europäischen Union. Demzufolge wird dem EU-Parlament in den Verhandlungen über die Stabilitätshilfen keine formale Rolle zugeteilt. Hierfür müsste der Entscheidungsprozess des ESM grundlegend verändert werden. Das geschieht dann, wenn die EU-Mitgliedstaaten sich dazu entscheiden, den ESM in die EU-Verträge aufzunehmen.

 

Sehen Sie die Möglichkeit eines Schuldenschnitts beziehungsweise eines Schuldenerlasses wie vom Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen? Ist Griechenlands Schuldenlast inklusive neu anfallender Schulden tragbar?

Ein nominaler Schuldenschnitt wird sicherlich nicht angestrebt und wird auch nicht vom IWF vorgeschlagen. Meiner Ansicht nach besteht für derartige Maßnahmen auch kein Bedarf. Lassen Sie mich auch erklären, weshalb. Griechenland profitiert von den Hilfen des EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) und des ESM. Wir haben rund 143 Milliarden Euro ausgezahlt – und zwar auf Basis von sehr günstigen Konditionen. Dies entspricht 45 Prozent der gesamten Schulden Griechenlands. Die Griechenland-Kredite haben eine durchschnittliche Laufzeit von 32 Jahren und der Zins liegt derzeit bei nur rund 1 Prozent, da wir nur unsere eigenen niedrigen Refinanzierungskosten in Rechnung stellen.

Durch diese groβzügigen Kreditkonditionen kann Griechenland jedes Jahr große Geldbeträge einsparen. Diese Gewinne, die von Ökonomen als Nettogegenwartswert bezeichnet werden, sind so substanziell, dass sie aus der Perspektive Griechenlands einem Schuldenschnitt nahe kommen. Wenn man alle günstigen Konditionen der europäischen Kredite zusammenzählt, so ergibt sich ein Vorteil, der aus griechischer Perspektive einem Schuldenschnitt von 50 Prozent entspricht. Hierbei besteht jedoch ein großer Unterschied zu einem nominalen Schuldenschnitt. Unser Ansatz führt weder zu Verlusten für die Gläubiger, noch transferieren die Gläubiger direkt Geld nach Griechenland.

Der ESM könnte diese Konditionen verbessern, unter der Voraussetzung, dass Griechenland seinen Reformauflagen voll und ganz nachkommt. Wir könnten beispielsweise die Laufzeiten oder Stundung der Zinsen verlängern. Die EU-Mitgliedstaaten werden die Umsetzung der Reformen in Griechenland analysieren und entscheiden, ob Gespräche über weitere Schuldenerlässe aufgenommen werden sollen. Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass bereits heute Griechenlands Schuldendienst in Bezug auf das BIP geringer ist als der Schuldendienst anderer Länder in Europa. Bis 2023 wird es kaum Zahlungen an uns geben.

über helmut

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