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Botschaft von Präsident Jean-Claude Juncker an die jüdische Gemeinde anlässlich des Holocaust-Gedenktages 2016

„Zum Verstecken verurteilt‟ – nie hätte ich gedacht, zu meinen Lebzeiten solche Schlagzeilen lesen müssen. Nie hätte ich gedacht, dass ein Rabbi in Marseille aus Sorge seiner Gemeinde vom Tragen der Kippa abrät, dass jüdische Schulen und Synagogen geschützt werden müssen, dass sich Juden in Europa so unsicher fühlen würden, dass sie in bisher beispielloser Zahl nach Israel auswandern. 71 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz ist dies schlicht unerträglich.

Europa kann und wird dies nicht hinnehmen. Angriffe auf jüdische Mitbürger sind Angriffe auf uns alle – sie richten sich gegen unsere Art des Lebens, gegen Toleranz und gegen unsere Identität. Das heutige Europa hat viel, auf das es stolz sein kann, doch wir dürfen nie vergessen, wo wir herkommen: In Europa wurden die schlimmsten Verbrechen begangen, die Menschen einander antun können. Diese Tragödie ist tief in unserer Seele verwurzelt, wenn wir heute des Todes von sechs Millionen Juden – Männern, Frauen und Kindern – gedenken. Sechs Millionen ungelebte Leben. Doch wie Claude Lanzmann einst erklärte, bedeutet das hebräische Wort für Totenehrung auch Erinnerung und Mahnung – und es ist Europas Pflicht, zu erinnern – um der Zukunft Willen.

Nie wieder! Dies gelobten unsere Gründungsväter, als sie diesen Kontinent auf den Trümmern des zweiten Weltkrieges und der Asche der Schoah wieder aufbauten. Seit jenen dunklen Tagen hat Europa einen langen Weg zurückgelegt: Wir haben europäische Werte, Demokratie und Grundrechte in unseren Verträgen verankert. Sie bilden die Fundamente unserer Union und unserer Institutionen. Diese Werte sind keine Selbstverständlichkeit, wir müssen sie Tag für Tag verteidigen – besonders in schwierigen Zeiten. Das ist ein Gebot der Menschlichkeit und eine historische Verantwortung. Es ist unsere moralische Pflicht, jenen zu helfen, die ZufIucht vor Krieg, Diktatur und religiöser wie politischer Verfolgung suchen. Gleichzeitig müssen wir gegen Extremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Antisemitismus vorgehen, die gefährlich zunehmen.

Unsere gesamte Gesellschaft steht in der Pflicht, dem Antisemitismus entgegenzutreten, und wir müssen ihn von allen Seiten bekämpfen – ganz gleich, ob er von der extremen Rechten oder Linken oder von islamistischen Extremisten ausgeht. Die Europäische Kommission tut alles in ihrer Macht Stehende: Erst kürzlich haben wir einen Koordinator zur Bekämpfung von Antisemitismus ernannt; wir stellen sicher, dass die bestehenden Rechtsvorschriften gegen Antisemitismus – und ganz allgemein gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit – in allen Mitgliedstaaten ordnungsgemäß angewandt werden. Dazu gehört auch das Verbot der Leugnung des Holocausts, das im EU-Recht zwar bereits verankert ist, aber von 15 Ländern noch immer nicht richtig durchgesetzt wird. Ich will, dass Europa allen gesellschaftlichen und religiösen Gemeinschaften eine Heimat ist.

Unser Vorsatz bleibt: Nie wieder. Denn ein Europa des Hasses wollen wir nicht. Ein Europa ohne Juden wäre nicht mehr Europa.

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