Die Europäische Kommission hat heute eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt, die an Sky UK und die sechs großen US-amerikanischen Filmstudios Disney, NBCUniversal, Paramount Pictures, Sony, Twentieth Century Fox und Warner Bros gerichtet ist. Die Kommission vertritt die vorläufige Auffassung, dass sich jedes der sechs Studios bilateral mit Sky UK auf vertragliche Beschränkungen verständigt hat, die Sky UK daran hindern, Verbrauchern außerhalb des Vereinigten Königreichs und Irlands über Satellit und/oder online Zugang zu den dort angebotenen Pay-TV-Diensten zu geben. Ohne diese Beschränkungen könnte Sky UK nach kommerziellen Gesichtspunkten entscheiden, ob es seine Pay-TV-Dienste an diese Kunden, die sich für einen Zugang interessieren, verkauft, und zwar unter Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Auflagen und – im Falle von Online-Pay-TV – des einschlägigen nationalen Urheberrechts.
Sollte sich die vorläufige Auffassung der Kommission bestätigen, dann hätte jedes dieser Unternehmen gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften, die derartige wettbewerbswidrige Vereinbarungen untersagen, verstoßen. Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Europäische Konsumenten wollen die Pay-TV Sender ihrer Wahl sehen, unabhängig davon wo sie leben oder wohin sie reisen. Unsere Untersuchung zeigt, dass sie das heutzutage nicht können, auch weil Lizenzvereinbarungen zwischen großen Filmstudios und Sky UK es Konsumenten in anderen EU-Ländern nicht erlauben auf Sky UKs britische und irische Pay-TV-Diensten zuzugreifen, weder über Satellit noch online. Wir glauben, dass das gegen EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen könnte. Die Studios und Sky UK haben nun die Gelegenheit, zu unseren Vorwürfen Stellung zu nehmen“.
US-amerikanische Filmstudios vergeben für die Ausstrahlung audiovisueller Inhalte (wie Filme) in der Regel Lizenzen für ein bestimmtes Gebiet an Pay-TV-Sender, d. h. in jedem Mitgliedstaat an einen einzigen Pay-TV-Sender (bei Mitgliedstaaten mit derselben Sprache wird die Lizenz gebündelt). Im Rahmen der von der Kommission im Januar 2014 eingeleiteten Untersuchung wurde festgestellt, dass die jeweiligen Lizenzvereinbarungen zwischen den sechs Filmstudios und Sky UK Klauseln enthielten, nach denen Sky UK verpflichtet war, den Zugang zu Filmen, die über seine Pay-TV-Dienste und/oder seine Satellitenprogramme ausgestrahlt werden, für Gebiete außerhalb des Lizenzgebiets (d. h. Vereinigtes Königreich und Irland) zu blockieren (sogenanntes „Geoblocking“).
In der Mitteilung der Beschwerdepunkte vertritt die Kommission die vorläufige Auffassung, dass derartige Klauseln Sky UK in seinen Möglichkeiten einschränkt, unangeforderten Anfragen in Bezug auf seine Pay-TV-Dienste von nicht im Lizenzgebiet ansässigen Verbrauchern nachzukommen, d. h. von Verbrauchern, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem Sky UK keine aktive Verkaufsförderung oder Werbung für seine Pay-TV-Dienste betreibt (sogenannte „passive Verkäufe“). Einige Vereinbarungen enthalten zudem Klauseln, nach denen die Filmstudios sicherstellen müssen, dass in ihren Lizenzverträgen mit anderen Sendern als Sky UK festgehalten ist, dass diese Sender ihre Pay-TV-Dienste nicht im Vereinigten Königreich und in Irland anbieten dürfen.
Diese Klauseln bieten somit einen „absoluten Gebietsschutz“ für Sky UK und/oder andere Sender. Sie schalten folglich den grenzübergreifenden Wettbewerb zwischen Pay-TV-Sendern aus und teilen den Binnenmarkt entlang nationaler Grenzen auf. Die Kommission ist zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass diese Klauseln – es sei denn, es liegt ein stichhaltiger Grund vor – einen schweren Verstoß gegen die EU-Vorschriften darstellen, nach denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen verboten sind.
In einer anderen bereits eingeleiteten Untersuchung hat die Kommission Bedenken bezüglich der Lizenzvereinbarungen zwischen den Filmstudios und den großen europäischen Pay-TV-Sendern Canal Plus (Frankreich), Sky Italia (Italien), Sky Deutschland und DTS (Spanien) geäußert. Die Kommission wird sich weiter mit der Frage des grenzübergreifenden Zugangs zu Pay-TV-Diensten in diesen Mitgliedstaaten befassen.
Im Fokus dieser kartellrechtlichen Untersuchungen stehen die vertraglichen Beschränkungen, die die fraglichen Vereinbarungen zwischen Filmstudios und Pay-TV-Sendern zu passiven Verkäufen außerhalb des Lizenzgebiets enthalten. Wenn Pay-TV-Sender erwägen, ihre Programme an Abnehmer außerhalb ihres Lizenzgebiets zu verkaufen, müssen sie zusätzlich zu den EU-Wettbewerbsvorschriften auch den einschlägigen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen Rechnung tragen. Für über das Internet erbrachte Pay-TV-Dienste sind dies vor allem die nationalen urheberrechtlichen Bestimmungen. Parallel zu den Maßnahmen auf der Grundlage des EU-Wettbewerbsrechts wird die Kommission als Teil der im Mai 2015 angenommenen Strategie für einen digitalen Binnenmarkt eine Modernisierung der EU-Vorschriften zum Urheberrecht und eine Überprüfung der Satelliten- und Kabelrichtlinie vorschlagen. Ziel ist es, die nationalen urheberrechtlichen Bestimmungen stärker aneinander anzugleichen und in der EU einen breiteren Zugang zu Online-Inhalten zu ermöglichen.
Hintergrund
Die EU-Kartellverschriften verbieten die Beschränkung des passiven Verkaufs, d. h. des grenzübergreifenden Verkaufs von Produkten im Binnenmarkt, der auf Anfrage der Verbraucher erfolgt und nicht auf ein aktives Werben des Verkäufers zurückgeht. Im Oktober 2011 hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil Premier League/Murphy gezielt mit der Frage des absoluten Gebietsschutzes aufgrund von Beschränkungen im Rahmen von Lizenzvereinbarungen für Programmausstrahlungen befasst. Der Gerichtshof stellte in seinem Urteil fest, dass die Lizenzbestimmungen, die Satellitensendern die Ausstrahlung von Sendungen für Kunden außerhalb des Lizenzgebiets untersagen, jedem Sender in dem von seiner Lizenz erfassten Gebiet eine absolute gebietsabhängige Exklusivität einräumen und damit jeder Wettbewerb zwischen Sendern ausgeschaltet und der Markt nach den nationalen Grenzen abgeschottet wird.
Im Zuge der Umsetzung ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt wird die Kommission eine Reform der EU-Vorschriften zum Urheberrecht vorschlagen, um einerseits den Zugang zu kulturellen Inhalten im Internet zu verbessern und andererseits Kulturschaffenden und der Content-Industrie neue Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen. Insbesondere möchte die Kommission sicherstellen, dass Nutzern, die zuhause Filme, Musik oder Artikel kaufen, auch unterwegs in ganz Europa auf diese zugreifen können. Momentan könnte es für Anbieter, insbesondere in der audiovisuellen Branche, aufgrund der aktuellen Bestimmungen für die Lizenzierung von Urheberrechten noch sehr schwierig sein, eine derartige Übertragbarkeit anzubieten. Ferner strebt die Kommission einen breiteren grenzübergreifenden Zugang zu Online-Inhalten an. In diesem Zusammenhang soll die Satelliten- und Kabelrichtlinie (93/83/EWG) einer Überprüfung unterzogen werden, für die nach dem Sommer im Vorfeld auch eine öffentliche Konsultation gestartet werden soll. Insbesondere wird die Kommission prüfen, ob der Geltungsbereich der Richtlinie auf Online-Übertragungen ausgeweitet werden sollte.
Hintergrundinformationen zum Verfahren
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften. Die Kommission setzt die Parteien schriftlich von den gegen sie vorliegenden Beschwerdepunkten in Kenntnis. Die Unternehmen können dann die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, sich schriftlich dazu äußern und eine mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zu der Sache Stellung nehmen. Die Kommission erlässt erst dann einen abschließenden Beschluss, wenn die Parteien ihre Verteidigungsrechte wahrgenommen haben.
Für den Abschluss kartellrechtlicher Untersuchungen zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen gilt für die Kommission keine zwingende Frist. Die Dauer einer kartellrechtlichen Untersuchung hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B. der Komplexität der Sache, dem Umfang, in dem das betroffene Unternehmen mit der Kommission kooperiert, und der Ausübung der Verteidigungsrechte.