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Honeyball: „Es ist unbedingt erforderlich, Frauen und Kinder zu schützen“

Weibliche Flüchtlinge in der EU“. Dieses Thema hat das Parlament für den Weltfrauentag 2016 gewählt. Wir haben die britische EU-Abgeordnete Mary Honeyball (S&D) und die französische Fotojournalistin Marie Dorigny interviewt. Honeyball verfasste einen Bericht über die Lage weiblicher Flüchtlinge, über den das Plenum am 8.3. abstimmt. Dorigny reiste im Auftrag des Parlaments nach Deutschland, Griechenland und in die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, um eine Fotoreportage zu erstellen.

Mehr und mehr Menschen fliehen aufgrund von Krieg, Menschenrechtsverletzungen und Armut nach Europa. Wie sieht die Situation für Frauen aus?

Mary Honeyball: Schrecklich viele Frauen werden Opfer von Gewalt, nicht nur in ihrem Herkunftsland, sondern auch auf der Flucht. Es ist unbedingt erforderlich, Frauen und Kinder zu schützen. Zudem haben Frauen andere Bedürfnisse als Männer.

Statistiken zeigen, dass 2015 mehr Männer als Frauen und Kinder in die EU gekommen sind. Warum ist das so?

Mary Honeyball: Die neuesten Statistiken zeigen, dass nun mehr Frauen nach Europa kommen. Ich glaube, dass die Männer vorausgeschickt wurden, um die Lage zu bewerten, bevor die Familien nachgeholt werden. Die Frauen und Kinder kommen später. Genau das tritt jetzt ein.

Marie Dorigny: Die neuesten Statistiken des UN-Flüchtlingshilfswerks besagen, dass 55 Prozent der Flüchtlinge, die in Europa ankommen, Frauen und Kinder sind. [Anm.d.Red.: Auf Ansuchen des EU-Parlaments reiste Dorigny im Dezember 2015 und Januar 2016 nach Griechenland, in die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und nach Deutschland, um Schicksal und Not weiblicher Flüchtlinge zu dokumentieren.]

Welchen Risiken sind Frauen und junge Mädchen auf der Flucht ausgesetzt?

Mary Honeyball: Frauen fliehen vor der Gewalt, der sie in ihrem Herkunftsland ausgesetzt sind. Auch auf der Flucht sind sie oft Opfer von Gewalt. Diese Gewalt geht sehr oft von Schleusern und Menschenhändlern aus, traurigerweise manchmal jedoch auch von anderen Flüchtlingen. Die gesamte Situation ist von Gewalt geprägt. Frauen sind vor allem schutzbedürftig, wenn sie allein reisen.

Marie Dorigny: Innerhalb der vergangenen sechs Monate hat sich die Lage verändert. Mehr und mehr Familien fliehen aus dem Irak, Afghanistan und Syrien. Die Hälfte dieser Familien sind Frauen und Kinder. Sie haben nun mehr Schutz als in der Vergangenheit, da sich die gesamte Familie gemeinsam, also mit dem Vater, den Söhnen und Brüdern auf die Reise begibt.

Frauen sind potenzielle Opfer von Gewalt in den Herkunfts-, Transit- und Zielländern. Wie können sie besser beschützt werden?

Mary Honeyball: Es ist sehr wichtig, ein öffentliches Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen. Die Menschen müssen darüber Bescheid wissen. Durch öffentlichen Druck können die Dinge verändert werden. Wir müssen dafür sorgen, dass in den Aufnahmezentren gute Bedingungen herrschen.

Konnten Sie mit den Frauen in Kontakt treten?

Marie Dorigny: Nach meinen Erfahrungen, die ich im Dezember und Januar gesammelt habe, sind die Menschen auf der Durchreise. Man sieht sie kommen und gehen. Die meisten sprechen nicht Englisch. Der Mangel an Dolmetschern ist eines der großen Probleme in den Notaufnahmelagern.

Mary Honeyball: Viele Flüchtlinge sprechen regionale Dialekte, die sehr schwer zu übersetzen sind. Es gibt nur wenige Menschen, die dazu in der Lage sind. Die Verdolmetschung ist sehr, sehr wichtig und wir sollten in dieser Hinsicht auch mehr tun.

Marie Dorigny: Unter den Frauen, die ich bei ihrer Ankunft aus der Türkei fotografiert habe, waren sehr viele schwangere Frauen. Viele von ihnen werden nach der Überfahrt ohnmächtig. Sie haben Angst und sind großem Stress ausgesetzt. Viele Frauen tragen ihre Babys auf dem Arm. Wir sehen, was nun an der Grenze zwischen Griechenland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien passiert. Tausende Menschen sitzen dort fest – ohne jegliche Organisation und die Frauen sind in Gefahr.

Die Fotos von Marie Dorigny werden im Besucherzentrum des Europäischen Parlaments, Parlamentarium, bis 1. Juni 2016 gezeigt.

Welche Bedingungen sollten die Mitgliedstaaten für Frauen schaffen?

Mary Honeyball: Es ist sehr wichtig, Beratung und psychosoziale Betreuung für traumatisierte Frauen anzubieten. Sprachkurse. Kinderbetreuung. Nicht alle Frauen möchten, dass ihre Kinder bei der Asylanhörung anwesend sind und hören, wovon sie berichten. Weibliche Gesprächspartner und Dolmetscherinnen. Viele Frauen würden in Anwesenheit eines Mannes zögern, relevante Informationen preiszugeben. In den Aufnahmeeinrichtungen selbst sollten getrennte Sanitäreinrichtungen und Schlafräume vorhanden sein – außer für Familien, die zusammenbleiben möchten. In einer der Einrichtungen, die ich in München besucht habe, gab es ein „Frauencafé“, also einen Bereich nur für Frauen.

Marie Dorigny: Ich habe dieses Café fotografiert. Es wurde von den Frauen sehr positiv aufgenommen.

Mary Honeyball: Es geht darum, Feingefühl zu zeigen. Manche dieser Dinge sind nicht so schwer umzusetzen.

Sie wählen für Ihre Reportagen sehr ernste Themen. Lassen Sie sich als Fotografin von ihren Gefühlen beeinflussen?

Marie Dorigny: Im Laufe meiner Karriere wähle ich mehr und mehr die Themen aus, die ich behandeln möchte. Und ich möchte diese Themen behandeln, da ich mich von ihnen betroffen fühle. Und ich fühle, dass ich zu den Menschen gehören will, die versuchen, etwas zu bewegen. Mary Honeyball und ich arbeiten Seite an Seite. Sie als Politikerin und ich als Journalistin.

Selbst wenn der Flüchtlingsstatus gewährt wurde, werden Frauen bei der Integration vor Herausforderungen gestellt und diskriminiert. Was muss getan werden, um die Integration zu erleichtern?

Mary Honeyball: Sie müssen auf die Integration vorbereitet werden. Sprachkurse sind wichtig, Schulungsmöglichkeiten. Manche von ihnen haben bereits gearbeitet, doch viele nicht. Es ist also wichtig, die Frauen darauf vorzubereiten, einer Arbeit nachzugehen, sofern sie das wünschen.

Marie Dorigny: Es wäre wichtig, auch das Leben in den Aufnahmeeinrichtungen zu dokumentieren sowie die Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft. Es ist für Journalisten jedoch sehr schwierig geworden, Zugang zu bestimmten Orten zu erhalten. Wir werden daran gehindert, über dieses Thema zu berichten.

über helmut

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