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Zwischenstaatliche Abkommen im Energiebereich

Mit der neuen Rechtsvorschrift werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihre zwischenstaatlichen Energieabkommen mit Drittstaaten vor deren Abschluss der Kommission vorzulegen.

Was sind zwischenstaatliche Abkommen im Energiebereich?

Die Energieabhängigkeit der EU nimmt zu, und immer mehr Mitgliedstaaten versuchen, Energie aus Ländern außerhalb der EU zu beziehen. Verhandlungen mit Energielieferanten in Drittländern erfordern häufig politische und rechtliche Unterstützung, z.B. um Investoren Rechtssicherheit für den Bau von Energieinfrastruktur zu geben. Diese politische Unterstützung erfolgt in Form von zwischenstaatlichen Abkommen. Diese Abkommen bilden häufig die Grundlage für detailliertere kommerzielle Verträge.

Der neue Beschluss bezieht sich auf alle zwischenstaatlichen Abkommen zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten und einem oder mehreren Nicht-EU-Staaten, die Auswirkungen auf die Sicherheit der Energieversorgung und das Funktionieren des Energiebinnenmarktes der EU haben. Einbezogen werden neben den zwischenstaatlichen Abkommen auch Vereinbarungen, die nicht rechtsverbindlich sind, wie z. B. gemeinsame politische Erklärungen und Absichtserklärungen, die die Auslegung des EU-Rechts betreffen oder aber Bedingungen für die Energieversorgung (Preise) oder den Ausbau der Energieinfrastruktur festlegen. Zwischenstaatliche Abkommen über Aspekte des Nuklearbereichs sind von diesem Beschluss ausgenommen, da sie unter den Euratom-Vertrag fallen.

Der EU-Beschluss über zwischenstaatliche Energieabkommen ist bereits seit dem 17. November 2012 in Kraft. Weshalb jetzt der neue Beschluss?

2015 führte die Kommission eine Bewertung der Effizienz des Beschlusses von 2012 durch. Sie kam zu dem Schluss, dass das derzeitige System sich zwar als nützlich erwiesen hat, um Informationen über bestehende zwischenstaatliche Abkommen einzuholen und die Punkte zu ermitteln, die nicht mit dem EU-Recht übereinstimmen, doch reicht es nicht aus, um solche Problempunkte zu lösen. Nach den derzeit geltenden Vorschriften müssen die Mitgliedstaaten ihre Energieabkommen mit Drittstaaten der Kommission erst übermitteln, nachdem sie abgeschlossen wurden. Es hat sich jedoch als sehr schwierig herausgestellt, die Bestimmungen der Abkommen neu auszuhandeln, nachdem sie von den Vertragsparteien unterzeichnet worden sind.

Einer Analyse der Kommission zufolge enthielten rund ein Drittel der übermittelten zwischenstaatlichen Abkommen über Energieinfrastruktur oder Energieversorgung Bestimmungen, die nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind. Bislang wurde keines dieser Abkommen erfolgreich neuverhandelt.

Welches sind die wichtigsten Neuerungen des geänderten Beschlusses für die Mitgliedstaaten?

Die wichtigste Änderung im Vergleich zum jetzigen Beschluss ist die Einführung einer verbindlichen Vorab-Prüfung der Vereinbarkeit durch die Kommission. Dies bedeutet, dass die Mitgliedstaaten der Kommission ihre Abkommensentwürfe vor deren Abschluss übermitteln müssen. Die Mitgliedstaaten werden keine zwischenstaatlichen Abkommen im Energiebereich unterzeichnen, bevor die Kommission ihre Stellungnahme abgegeben hat. Bei Abschluss eines zwischenstaatlichen Abkommens oder einer entsprechenden Änderung müssen die Mitgliedstaaten künftig die Stellungnahme der Kommission in allen Punkten berücksichtigen.

Darüber hinaus wird mit dem überarbeiteten Beschluss der Anwendungsbereich der Vorschriften auf nicht rechtlich bindende Instrumente ausgeweitet; diese werden einer nachträglichen Prüfung unterzogen.

Künftig müssen die Mitgliedstaaten

  • die Kommission informieren, wenn sie die Absicht haben, mit einem Staat außerhalb der EU Verhandlungen über ein neues Abkommen oder die Änderung eines bestehenden aufzunehmen. Die Kommission muss während des gesamten Verhandlungsprozesses über den Verhandlungsstand unterrichtet werden;
  • der Kommission den Entwurf eines zwischenstaatlichen Abkommens oder einer Änderung eines bestehenden zur Vorab-Prüfung vorlegen;
  • der Kommission alle bestehenden zwischenstaatlichen Abkommen vorlegen;
  • der Kommission alle nicht rechtsverbindlichen Vereinbarungen mit Drittstaaten, wie Absichtserklärungen oder gemeinsame Erklärungen, zur nachträglichen Prüfung vorlegen.

Was wird die Aufgabe der Kommission sein?

Damit zwischenstaatliche Energieabkommen die Versorgungssicherheit der EU und das Funktionieren des Binnenmarkts nicht gefährden, wird die Kommission

  • zwischenstaatliche Abkommen oder Änderungen bestehender Abkommen im Entwurfsstadium prüfen und die Mitgliedstaaten innerhalb von sechs Wochen nach der Notifizierung über etwaige Zweifel an deren Vereinbarkeit mit dem EU-Recht informieren;
  • bei Zweifeln dem Mitgliedstaat innerhalb von 12 Wochen nach der Notifizierung ihre Stellungnahme zur Vereinbarkeit des Entwurfs des Abkommens oder der betreffenden Änderung mit dem EU-Recht mitteilen;
  • bestehende zwischenstaatliche Abkommen oder deren Änderungen prüfen und die Mitgliedstaaten im Fall von Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem EU-Recht innerhalb von neun Monaten nach der Notifizierung informieren;
  • neue und bestehende zwischenstaatliche Abkommen, Änderungen an diesen sowie nicht rechtsverbindliche Vereinbarungen anderen Mitgliedstaaten unter Einhaltung der Vertraulichkeitsauflagen zugänglich machen.

Wie viele solcher Abkommen gibt es?

Nach dem Beschluss von 2012 wurden der Kommission 124 zwischenstaatliche Abkommen gemeldet.

Davon betreffen 60 % die allgemeine Zusammenarbeit im Energiebereich und 40 % die Versorgung mit oder die Einfuhr oder den Transit von Erdöl, Erdgas oder Strom, den Ausbau der Energieinfrastruktur oder Vorschriften für die Nutzung von Öl- und Gasfeldern. Nach ihrer Analyse äußerte die Kommission bei 17 dieser Abkommen Zweifel an der Übereinstimmung mit dem EU-Recht.

Diese Abkommen werden zwischen zwei oder mehr als zwei souveränen Staaten geschlossen. Warum müssen sie transparent sein? Weshalb muss sich die EU damit befassen?

Aufgrund der fortschreitenden Integration der Energiemärkte und der Energieinfrastruktur der EU können sich die Entscheidungen eines Mitgliedstaats negativ auf die Versorgungssicherheit in Nachbarländern oder auf das Funktionieren des Energiebinnenmarktes der EU auswirken. 2015 beschlossen die Mitgliedstaaten die Strategie zur Energieunion, die eine zukunftsorientierte Klimaschutzstrategie beinhaltet. Darin wird der Schutz der Integrität der EU-Energiemärkte als entscheidend für die Sicherung der Energieversorgung für die EU-Bürger und die Förderung einer stärkeren Solidarität und einer gerechteren Wirtschaftsunion betrachtet.

Da die Einhaltung der EU-Vorschriften für die Energiemärkte nicht immer im kommerziellen Interesse der Energielieferanten außerhalb der EU liegt, können die Mitgliedstaaten unter Druck geraten, Klauseln aufzunehmen, die die Funktionsfähigkeit des Energiebinnenmarkts der EU behindern. Besonders problematisch sind Klauseln, die die eigentumsrechtliche Entflechtung von Energietransportunternehmen und Energieproduzenten verhindern, den Zugang anderer Unternehmen zur Infrastruktur begrenzen, keine wettbewerbliche Tariffestsetzung zulassen oder verhindern, dass der Käufer von Gas oder Öl diese an andere Mitgliedstaaten weiterverkaufen kann.

Mit dem neuen Beschluss werden alle betroffenen Mitgliedstaaten den gleichen Informationsstand hinsichtlich grenzüberschreitender Projekte haben. Dies wird dazu beitragen, Doppelinvestitionen oder Lücken in der Infrastruktur zu vermeiden.

Auch für die einzelnen an Projekten des Energiebereichs beteiligten Unternehmen wird der neue Beschluss eindeutig Vorteile bringen. Mögliche Problempunkte hinsichtlich eines Verstoßes gegen das EU-Recht würden in einem frühen Stadium gelöst, so dass für die Investoren und Projektträger Rechtssicherheit entstünde und Kosten für eine Annullierung oder Verzögerungen vermieden würden.

Was geschieht, wenn ein Mitgliedstaat die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt?

Der Grundgedanke einer obligatorischen Vorab-Prüfung durch die Kommission liegt darin, zu vermeiden, dass die Mitgliedstaaten Abkommen unterzeichnen, die nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind. Erstens würde mit dem überarbeiteten Beschluss dafür gesorgt, dass zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat ein Dialog über mögliche Verstöße gegen das EU-Recht geführt wird und somit eine Kooperation entsteht. Zweitens dürfen die Mitgliedstaaten nach dem neuen Beschluss kein zwischenstaatliches Abkommen unterzeichnen, bevor die Kommission ihre Stellungnahme abgegeben hat. Bei Unterzeichnung oder Ratifizierung eines zwischenstaatlichen Abkommens bzw. der Zustimmung dazu müssen die Mitgliedstaaten künftig die Stellungnahme der Kommission in allen Punkten berücksichtigen. Sollte ein Mitgliedstaat beschließen, ein Abkommen zu unterzeichnen, das mit dem EU-Recht unvereinbar wäre, hätte die Kommission die Möglichkeit, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.

Wie ist es mit kommerziellen Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr Unternehmen? Wie kann sich die EU einschalten, wenn diese nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind?

Der neue Beschluss erstreckt sich – wie auch der zurzeit geltende – nicht auf kommerzielle Vereinbarungen zwischen Unternehmen. Der derzeitige Mechanismus der Vereinbarkeitsprüfung kommerzieller Verträge, insbesondere hinsichtlich des EU-Wettbewerbsrechts, wird durch den neuen Beschluss nicht geändert oder in sonstiger Weise berührt. Allerdings können die Mitgliedstaaten – wie schon im Rahmen des geltenden Beschlusses – der Kommission solche Vereinbarungen, auf die in zwischenstaatlichen Abkommen oder nicht verbindlichen Instrumenten verwiesen wird, freiwillig übermitteln.

Zudem ist eine Vereinbarkeitsprüfung kommerzieller Verträge, insbesondere kommerzieller Gaslieferverträge, im Vorschlag für eine überarbeitete Verordnung zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung vorgesehen.

Wie werden vertrauliche Informationen in den Abkommen geschützt?

Bei der Übermittlung des Entwurfs eines zwischenstaatlichen Abkommens geben die Mitgliedstaaten der Kommission an, welche Teile vertraulich sind. Gleichzeitig sollten jedoch Ersuchen um vertrauliche Behandlung den Zugang der Kommission zu vertraulichen Informationen nicht einschränken, da sie für ihre Prüfungen umfassende Informationen benötigt. Falls ein Mitgliedstaat ein zwischenstaatliches Abkommen oder ein nicht rechtsverbindliches Instrument als vertraulich betrachtet, sollte er der Kommission eine Zusammenfassung zur Verfügung stellen, die allen übrigen Mitgliedstaaten übermittelt werden kann.

Was geschieht mit bereits bestehenden zwischenstaatlichen Abkommen, die nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sind?

Nach dem Beschluss prüft die Kommission die ihr übermittelten Abkommen. Wenn diese nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind, kann sie ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

Auf Ersuchen der Mitgliedstaaten kann die Kommission sie bei der Neuaushandlung ihrer bestehenden zwischenstaatlichen Abkommen unterstützen.

Wann tritt der Beschluss in Kraft?

Der überarbeitete Beschluss tritt erst in Kraft, nachdem das Europäische Parlament und der Rat ihn im Mitentscheidungsverfahren angenommen haben.

über helmut

Siehe auch

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