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EU-Kommissionspräsident Juncker: „Flüchtlingskrise hat höchste Priorität“

„Die Flüchtlingskrise hat und muss jetzt höchste Priorität haben.“ Mit diesen Worten wandte sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Union am Mittwoch (9.9.) an die EU-Abgeordneten. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz verwies in seiner Eröffnungsrede auf die Herausforderungen, denen sich die EU stellen müsse: Migration, Wirtschaftskrise und Kriege in Nachbarstaaten. „Wir müssen dafür Lösungen finden.“

In seiner Eröffnungsansprache erteilte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz dem EU-Kommissionspräsidenten das Wort: „Ich erteile Ihnen das Wort, damit Sie Vorschläge für die Europäische Union präsentieren können. Hier im Europäischen Parlament, dem Haus der europäischen Demokratie.“

 

Zu Beginn seiner Ansprache betonte Jean-Claude Juncker, die Flüchtlingskrise müsse jetzt höchste Priorität haben. Es sei vor allem eine Frage der Menschlichkeit und der Menschenwürde. Für Europa sei es zudem eine Frage der historischen Gerechtigkeit. „Wir kämpfen gegen den Islamischen Staat. Aber warum sind wir nicht bereit, die Menschen aufzunehmen, die vor ihm fliehen?“

 

Ein weiterer wichtiger Themenpunkt der Rede des EU-Kommissionspräsidenten war die Griechenland-Krise: „Es war absolut notwendig zu sagen, dass der Grexit keine Option ist. Es hätte zum Grexit kommen können, wenn wir das nicht klar und deutlich gesagt hätten. Der Grexit war eine theoretische Möglichkeit, aber keine Option.“ Juncker verwies auf die EU-Mitgliedstaaten Irland, Portugal und Spanien. Diese hätten gezeigt, dass mit der Umsetzung guter Reformen die richtigen Ergebnisse erzielt werden können.

 

EU-Kommissionspräsident Juncker betonte, dass die Wirtschaftskrise noch nicht beendet sei. Dafür müsse das Ziel der Vollbeschäftigung in Europa erreicht werden. Juncker hob die Bedeutung der EU hervor: „Ich weiß, wie schwach Europa wäre, würde die Europäische Union nicht bestehen.“

 

Die Stellungnahmen der EU-Abgeordneten

Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber aus Deutschland begann seine Rede mit dem Thema der Flüchtlingskrise und richtete eindringliche Worte an das Plenum: „Hinter jeder Zahl stehen Menschen.“ Grund für die derzeitigen Probleme sei nicht Europa sondern die nationalen Egoismen. Zur Lage in Griechenland bemerkte Weber, Tsipras habe mit seinem Kurswechsel Respekt verdient. Griechenland sei kein hoffnungsloser Ort mehr. „Tsipras hat gezeigt, dass linke Ideologien auf dem Kontinent gescheitert sind.“

 

Der S&D-Vorsitzende Gianni Pittella aus Italien wandte sich an die EU-Kommission und forderte sie dazu auf, Maßnahmen gegen Sozialdumping und Null-Stunden-Verträge in die Wege zu leiten. In Hinblick auf die Flüchtlingskrise forderte Pittella zu Solidarität auf: „Wir müssen die Flüchtlinge willkommen heißen.“ Sonst scheitere Europa als Konzept einer Union der Solidarität.

 

Der EKR-Vorsitzende Syed Kamall aus Großbritannien verwies auf die internationale Dimension der Flüchtlingskrise: „Lasst uns gemeinsam Lösungen finden; jedoch nicht nur in der EU. Es handelt sich hier um eine internationale Krise, die einer internationalen Lösung bedarf.“ Die Zeit der gegenseitigen Schuldzuweisungen sei nun vorbei. Die Probleme müssten auf realistische Weise behandelt werden. „Europa benötigt keinen neuen Eisernen Vorhang. Europa benötigt einen eisernen Willen, um gemeinsam über die Krise zu diskutieren, zusammenzuarbeiten und eine Lösung zu finden.“

 

„Kern des Problems ist das Fehlen eines politischen Willens und einer Einheit“, kritisierte der ALDE-Vorsitzende Guy Verhofstadt aus Belgien. Die Flüchtlingskrise sei keine europäische Krise; vielmehr sei die Krise durch einen „Mangel an Europa“ bedingt.

 

Die Regierungschefs müssten daran gehindert werden, eine nationalistische und kleinkarierte Politik zu verfolgen, hebt die Vorsitzende der GUE/NGL Gabriele Zimmer aus Deutschland hervor. Sonst drohe das Ende der Europäischen Union. Zimmer übte Kritik am EU-Kommissionspräsidenten. Dieser sei in seiner Ansprache nicht auf die sozialen Prioritäten eingegangen.

 

Der Ko-Vorsitzende der Grünen/EFA Philippe Lamberts aus Belgien forderte, sich für die Flüchtlinge einzusetzen. „Wir müssen offen sein für Veränderungen und die Zukunft. Wir müssen Allianzen schmieden, um das wiederaufzubauen, was Europa verloren hat.“

 

Der Ko-Vorsitzende der EFDD Nigel Farage aus Großbritannien kritisierte EU-Kommissionspräsident Juncker in der Interpretation der Flüchtlingskrise: „Wie wir wissen, sind die Mehrheit der Flüchtlinge Wirtschaftsflüchtlinge. Außerdem sehen wir Anzeichen, dass der IS nun diese Routen benutzt, um Dschihadisten nach Europa zu bringen. Wir müssten verrückt sein, dieses Risiko für unsere Gesellschaft einzugehen.“

 

Der EU-Abgeordnete Florian Philippot (ENF) aus Frankreich sagte, Europa habe keinen Druck auf die Golfstaaten ausgeübt, damit diese Flüchtlinge aufnehmen. Er fügte hinzu: „Großunternehmen möchten, dass die Illegalen zu uns kommen.“

 

Die fraktionslose EU-Abgeordnete Krisztina Morvai aus Ungarn führte an: „Wir alle teilen den Traum, in unserer Heimat in Frieden zu leben und für unsere Heimat zu arbeiten und unsere Wurzeln, Kulturen und Traditionen zu bewahren.“

 

Der luxemburgische Minister Nicolas Schmit sprach für die EU-Ratspräsidentschaft: „Dies ist ein historischer Moment. Europa muss sich einer großen Krise stellen. Wir im Ministerrat werden alles dafür tun, um die neuen Vorschläge (für einen permanenten Umverteilungsmechanismus für Asylsuchende), die heute von Präsident Juncker vorgestellt wurden, umzusetzen.“

 

Im Anschluss an die erste Sprecherrunde äußerten sich weitere EU-Abgeordnete aus Deutschland und Österreich zum Thema Flüchtlingskrise.

 

Der EU-Abgeordnete Herbert Reul (EVP) aus Deutschland verwies auf die gemeinsamen europäischen Werte: „Danke, dass Sie deutlich gemacht haben, dass Europa mehr ist als irgendein Projekt, sondern dass es da ein Anliegen gibt, das Grundlagen hat, und bei dem es um Werte geht. Vielleicht ist diese Flüchtlingsproblematik eine Chance, das auch ein Stück stärker in den Mittelpunkt zu rücken.“

 

Der EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer (S&D) aus Österreich sieht eine Chance für Europa: „Es ist in der Tat Zeit für Ehrlichkeit und Zeit für mehr Europa. Die Flüchtlingsfrage wird zum Prüfstein für uns Europäer werden. Wenn wir das nicht schaffen, dann können wir alles verlieren. Wir können aber auch vieles gewinnen.“

 

Der EU-Abgeordnete Othmar Karas (EVP) forderte eine Rückbesinnung auf die europäische Idee: „Die Idee Europa, das politische Projekt der EU ist unser Arbeitsprogramm. Der nationale Egoismus, die Mutlosigkeit, der Mangel an Aufrichtigkeit, der Widerspruch von Wort und Tat, der Mangel an Entschlossenheit sind unser Problem.“

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