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Neugestaltung des Strommarkts und Stärkung der Verbraucher

Umgestaltung des Energiesystems in Europa – Sommerpaket „Energie“ der Kommission ist wegweisend (15. Juli 2015)

Was bedeutet „Marktgestaltung“?

Unter Marktgestaltung sind die Regelungen zu verstehen, auf deren Grundlage die Marktteilnehmer Strom erzeugen, handeln, liefern und verbrauchen und die Strominfrastruktur nutzen.

Es ist wichtig, dass mit diesen Regelungen oder dieser Marktgestaltung das Energiesystem verändert werden kann, damit die Netzbetreiber, die Erzeuger und die Verbraucher – sowohl Haushalte als auch Unternehmen – die neuen Technologien in vollem Umfang nutzen können.

Großhandel und Endkundenmarkt sollten die Grundlage für Investitionsentscheidungen bilden und die Entwicklung neuer Dienste durch innovative Unternehmen vorantreiben. In einer netzgebundenen Branche wie der Stromwirtschaft gehört zu einer effektiven Marktgestaltung eine effektive Regulierungsaufsicht, insbesondere Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber.

Die Initiative der Europäischen Kommission für eine Neugestaltung des Strommarkts soll die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts für Strom verbessern. Strom soll jederzeit ohne Einschränkungen dahin gelangen, wo er am meisten benötigt wird, die Gesellschaft soll den grenzüberschreitenden Wettbewerb optimal nutzen können und für die benötigten Investitionen sollen die richtigen Signale ausgesendet und die richtigen Anreize geschaffen werden. Zugleich soll der zunehmende Anteil erneuerbarer Energie vollständig integriert werden.

Warum brauchen wir eine Neugestaltung des Marktes?

Europas Stromversorgung durchläuft gerade einen tiefgreifenden Wandel.Der Anteil des aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stroms steigt bis 2030 von heute 25 % auf 50 % an. Doch auch wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, muss ausreichend Strom erzeugt werden, um die Verbraucher mit Energie zu versorgen und das Stromnetz stabil zu halten.Der Strommarkt durchläuft einen ständigen Wandel und hat sich in den letzten fünf Jahren grundlegend verändert.

Da die EU die Voraussetzungen für eine verlässliche und erschwingliche Energieversorgung für alle Haushalte und Unternehmen in der EU schaffen will und weltweit die Führungsrolle im Bereich der erneuerbaren Energie anstrebt, wird es weitere Veränderungen geben. Das bedeutet vor allem, dass noch mehr Strom über nationale Grenzen hinweg gehandelt werden muss. Dies erfordert eine effiziente Zusammenarbeit aller Marktteilnehmer. Da der Anteil des aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stroms zunimmt und die Stromerzeugung dann mehr Schwankungen unterliegt, müssen die Netzkapazitäten grenzüberschreitende Zusammenarbeit ermöglichen.

Zudem versetzen neue Grundlagentechnologien wie intelligente Stromnetze, intelligente Verbauchsmessungssysteme, intelligentes Wohnen, Eigenerzeugung und Speichervorrichtungen die Bürger in die Lage, den Wandel des Energiemarkts selbst in die Hand zu nehmen. Sie können mit Hilfe dieser neuen Technologien Kosten einsparen und zu aktiven Marktteilnehmern werden.

Wie können die Märkte flexibler werden?

Flexible Märkte können geschaffen werden durch:

– die Möglichkeit für Verbraucher, aktiv am Markt aufzutreten und ihren Verbrauch in Echtzeit an die Preise anzupassen

– die richtigen Signale der Märkte für Investitionen in die Stromerzeugung und die effiziente Nutzung vorhandener Ressourcen

– den Aufbau fehlender Strominfrastruktur und die bessere Nutzung vorhandener Infrastruktur

– flexiblen Handel: Für die effiziente Integration der erneuerbaren Energiequellen ins Netz müssen Erzeuger, Versorger und Händler Strom so echtzeitnah wie möglich handeln können, damit ihnen zuverlässigere Prognosen über die Menge der erzeugten Sonnen- oder Windenergie zur Verfügung stehen.

– die Abschaffung regulierter Preise und ineffizienter Förderregelungen. Wenn die Strompreise nicht die tatsächlichen Kosten widerspiegeln, werden falsche Signale an Investoren und Stromverbraucher gesendet.

– eine bessere Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten bei den Förderregelungen für erneuerbare Energie. Investitionen sollten marktbestimmt sein. Auf einem funktionierenden Markt sind die Preise bei reichlich vorhandenem Angebot niedrig und bei geringer Erzeugung hoch. Auf diese Weise signalisieren die Preise, wo Investitionen sich am meisten lohnen.

Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energieträgern müssen unter fairen Bedingungen mit den konventionellen Erzeugern konkurrieren können. Dort, wo staatliche Unterstützung dafür immer noch notwendig ist, könnten durch eine Annäherung der Förderregelungen für erneuerbare Energie in verschiedenen Ländern und besonders durch eine bessere regionale Zusammenarbeit beträchtliche Effizienzsteigerungen erzielt werden.

Brauchen wir mehr Stromnetze?

Bei der effizienten Nutzung der Netzkapazitäten sind beträchtliche Fortschritte erzielt worden. Durch die sogenannte Marktkopplung (d. h., dass Strom und Verbindungskapazitäten gekoppelt verkauft werden) in weiten Teilen Europas und die „flussbasierte“ Kapazitätsberechnung (bei der der tatsächliche Stromfluss in den stark miteinander verbundenen europäischen Netzen stärker berücksichtigt wird) stehen erheblich mehr nutzbare Netzkapazitäten zur Verfügung. Trotzdem sind sowohl national als auch grenzüberschreitend zusätzliche Netzkapazitäten erforderlich. Um übermäßig hohe Investitionen zu vermeiden, muss auf andere Weise die Flexibilität gesteigert werden, z. B. indem den Verbrauchern ermöglicht wird, ihre Nachfrage an die Stromerzeugung anzupassen.

Wie kann bei schwankender Erzeugung aus Sonnen- und Windenergie ein Ausgleich zwischen den Netzen vorgenommen werden?

Erstens können Gebiete mit hoher Erzeugung solche mit geringer Erzeugung ausgleichen, wenn der aus erneuerbarer Energie erzeugte Strom über miteinander verbundene Netze in Europa verteilt wird. Zweitens muss der Markt Erzeugern von Strom aus erneuerbarer Energie deutliche finanzielle Anreize bieten, damit sie ihre Erzeugung so vorhersehbar wie möglich gestalten. Außerdem können bei niedriger Erzeugung und hohen Preisen die Endkunden die Lage entschärfen, indem sie weniger Strom verbrauchen. Der Markt muss dann dafür sorgen, dass sich dieses Verhalten für sie auch lohnt.

Die Umgestaltung zu einer CO2-armen und effizienten Energiewirtschaft vollzieht sich im Großhandel. Warum profitieren die Endkunden davon noch nicht?

Die meisten Verbraucher in der EU haben derzeit keinen Zugang zu Informationen über die sich verändernden Kosten und ökologischen Auswirkungen des Energieverbrauchs zu verschiedenen Tageszeiten, Wochentagen oder Jahreszeiten. Diese Kosten schwanken ständig, unter anderem wegen des Wetters und wegen unseres Tagesablaufs.

Die meisten Endkunden bezahlen – mitunter ohne es zu wissen – einen höheren Preis für die Berechenbarkeit. Dadurch wird Energie nicht nur teurer, weil wir mehr Kraftwerke und Netzkapazitäten finanzieren müssen, um für gelegentliche Nachfragespitzen gerüstet zu sein; es bedeutet auch, dass wir mehr fossile Brennstoffe importieren und verbrennen als eigentlich nötig.

Einige Verbraucher wählen jedoch Verträge, mit denen sie die Schwankungen des Marktes zu ihrem Vorteil nutzen und Geld sparen können. Beispielsweise haben Verbraucher in Finnland und Schweden, die sich für Stromverträge mit dynamischen Preisen entschieden haben, dank dieser Dynamik und der intelligenten Verbrauchsmessung 15 bis 30 % ihrer Stromkosten gespart.

Eine weitere Schwierigkeit, die die Verbraucher daran hindert, den derzeitigen Wandel des Energiemarkts optimal für sich zu nutzen, ist der Vergleich der Kosten und der Werbeinformationen verschiedener Energieversorger. Im Großhandel nehmen Transparenz und Wettbewerb zu, aber die Endkunden können ihre Wahlmöglichkeiten nach wie vor oft nicht richtig einschätzen. Das führt häufig dazu, dass sie an ihrem Stromversorger festhalten. Und selbst wenn ein Verbraucher ein besseres Angebot findet, stehen einem Wechsel oft noch vertragliche Verpflichtungen und bürokratische Hürden im Weg.

Wie kann die Position der Verbraucher gestärkt werden?

Die Rolle der Verbraucher muss grundlegend verändert werden. Wir müssen ihnen die Gelegenheit geben, ihren Energieverbrauch anzupassen, um Veränderungen von Angebot und Nachfrage sofort nutzen zu können.

Verbraucher müssen als Käufer und Verkäufer auftreten können – mit Hilfe innovativer Unternehmen, die ihnen neue Dienstleistungen auf der Grundlage klarerer und vergleichbarer Rechnungen und Werbevorschriften anbieten, die einen Anbieterwechsel erleichtern, aber auch durch zuverlässige und hilfreiche Preisvergleichsinstrumente und die Nutzung ihrer großen Verhandlungsmacht durch Kollektivsysteme (z. B. kollektiver Anbieterwechsel oder Energiekooperativen). Außerdem müssen Verbraucher unter fairen Bedingungen ihre eigene Energie erzeugen und verbrauchen können, um Geld zu sparen, umweltbewusst zu handeln und die Versorgung zu sichern.

Darüber hinaus müssen Verbraucher, die schutzbedürftig sind oder unter Energiearmut leiden, und Haushalte, die nicht so einfach ihre Nachfrage anpassen oder zu Prosumenten werden können, in dieser Phase des Wandels wirksam geschützt werden. Sie benötigen gezielte Hilfe zur Verbesserung der Energieeffizienz.

Wie werden Verbraucher und ihre Daten in diesem neuen Umfeld geschützt?

Durch die EU-Rechtsvorschriften verfügen die Energieverbraucher bereits über umfangreiche Rechte, deren Durchsetzung nach wie vor eine Priorität darstellt. Darüber hinaus zieht die Kommission neue energiespezifische Rechtsvorschriften in der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz in Betracht. Sie wird Mittel für eine bessere Überwachung der Energiearmut in der gesamten EU und einen Austausch bewährter Verfahrensweisen zur Verfügung stellen, damit alle Gruppen der Gesellschaft von diesem Wandel profitieren.

Um intelligente Verbrauchsmessungssysteme wirkungsvoll zu nutzen, müssen persönliche Daten verarbeitet werden. Deshalb nehmen Datenschutz und Sicherheit eine wichtige Rolle ein. Die Kommission empfiehlt „Sicherheit und Datenschutz als Standardausstattung“.

Was ist unter Eigenverbrauch erneuerbarer Energie zu verstehen?

Die Technologiekosten sind mittlerweile erheblich zurückgegangen. Deshalb können Verbraucher ihren eigenen Strom vor Ort aus erneuerbaren Energiequellen (z. B. Sonnen- oder Windenergie) erzeugen und ganz oder teilweise verbrauchen – entweder sofort oder zeitverzögert mit Hilfe von Energiespeicherung in kleinem Maßstab (z. B. durch Wärmepumpen oder eine Batterie). So können Verbraucher, die zugleich Energie erzeugen, Geld sparen, indem sie ihren eigenen Strom erzeugen, anstatt ihn zu kaufen, und sogar die Strommenge, die sie nicht benötigen, ins Netz einspeisen.

Eigenverbrauch kann Netzverluste vermeiden helfen, weil der Strom am selben Ort erzeugt und verbraucht wird. Er kann auch die Energiesystemkosten senken. Beispielsweise können in sonnigen Ländern, wenn viel Strom für Klimaanlagen benötigt wird, durch photovoltaische Stromerzeugung Nachfragespitzen abgeschwächt werden. Darüber hinaus kann Eigenverbrauch private Investitionen zur Finanzierung der Energiewende mobilisieren.

Andererseits können durch den Eigenverbrauch neue Herausforderungen entstehen und die Erträge der Netzbetreiber sinken. Möglicherweise sind technische Anpassungen des Netzes notwendig, um Sicherheit und Zuverlässigkeit aufrechtzuerhalten. Die Kommission hat bewährte Verfahrensweisen ermittelt, um die EU-Länder bei der kosteneffizienten Förderung des Eigenverbrauchs zu unterstützen.

Welche Rolle kann Energiespeicherung im neugestalteten Markt spielen?

Der sichere Netzbetrieb ist durch das rasche Wachstum der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie, die Schwankungen unterliegt, nicht mehr so einfach. Erzeuger und Verbraucher müssen flexibel reagieren können, und es müssen Anreize für diese Elastizität geschaffen werden. Wenn die Speicherung zu einem Bestandteil des Strommarkts würde, würde dies für noch mehr Flexibilität sorgen. Wenn ein Überschuss besteht und die Preise niedrig sind, sollte Strom gespeichert werden; wird dagegen wenig erzeugt bei hohen Preisen, sollte der gespeicherte Strom zur Verfügung gestellt werden, damit die Schwankungen in der Stromerzeugung ausgeglichen werden.

Was sind die nächsten Schritte?

Im Anschluss an eine öffentliche Konsultation zur Gestaltung des Strommarkts arbeitet die Kommission im zweiten Halbjahr 2016 Vorschläge für Rechtsakte aus. Mögliche Änderungen könnten die Binnenmarktsvorschriften, die Erneuerbare-Energien-Richtlinie, die Energieeffizienz-Richtlinie und die Infrastrukturverordnung betreffen.

Außerdem arbeitet die Kommission weiter mit einschlägigen Interessenträgern zusammen, um die Verbraucher in die Rolle aktiver Marktteilnehmer zu versetzen – z. B. durch Vergleichsinstrumente, die Festlegung von Mindeststandards für wesentliche Abrechnungsinformationen sowie die Stärkung des Datenschutzes.

über dubi

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